Jana Sophie Szymura  | 02.03.2023

Frauen in der Gründerszene: Interview mit VReG-Coworkingmanagerin Thekla Dayen

Gründen ist cool. Die Startup-Szene in Deutschland hat das Potenzial, dem deutschen Mittelstand zu neuer Blüte zu verhelfen. Sie sind schnell, sie sind innovativ, sie sind kommunikativ, aber sind sie auch weiblich? Wir haben mit unserer Coworkingmanagerin Thekla, die absolute Expertin in Sache Gründerszene ist, über das Thema "Frauen und Gründen" gesprochen.
Hi Thekla, wer bist du und was machst du?

Hej ich bin Thekla und habe 1,5 Jahre Camp Nord, den Coworking Space in der Norderstedter Bank aufgebaut. Davor war ich knapp 2 Jahre Werkstudentin in einem Accerlerator mit Coworking in NRW. Acceleratoren unterstützen Startups mit Mentoren, Kursen, Networkveranstaltungen, Kontakten und vielem mehr.

Wir nehmen aktuell das Thema „Frauen & Finanzen“ unter die Lupe. Wie ist die derzeitige Lage in der Gründerszene? Gründen genauso viele Frauen wie Männer?

Die Startup Welt spiegelt bei dem Thema ein wenig den Mittelstand und die Börsenunternehmen wider. Wir haben einen Gründerinnenanteil von 20 % in Deutschland. Zwar wächst die Zahl der Gründerinnen jedoch nur bedächtig. Damit sind Frauen im Startup Ökosystem ebenfalls unterrepräsentiert. Was jedoch auch in Studien auffällt: Ca. 37% der gründenden Teams haben mindestens eine Frau als Mitgründerin.

Was glaubst du sind die Hauptgründe dafür, dass die Anzahl von Gründerinnen zwar steigend, aber nach wie vor niedrig ist?

Das hat ganz viele verschiedene Gründe und ist natürlich auch sehr individuell. Das durchschnittliche Gründungsalter liegt bei Anfang 30. Schaut man sich die Statistik an, wann viele Frauen Kinder bekommen, dann liegt auch das Alter bei Anfang 30. Gründen und Kind/er großziehen, schließt sich de facto nicht aus-, aber noch haben wir kein so gutes Ökosystem, dass zum Beispiel eine flexible Kinderbetreuung zuverlässig gesichert ist.

Und dann kommt auch zum Tragen, dass viele Frauen mehr Care Arbeit übernehmen -sich also mehr um den Haushalt, Pflege von Angehörigen und die Kindererziehung kümmern. Ebenfalls haben Studien gezeigt, dass Frauen auch gerne im Nebenerwerb statt in Vollzeit zu gründen.

Es zeigt sich leider auch immer wieder, dass weibliche geführte Startups weniger Geld bekommen. Woher die Startups Geld bekommen ist sehr verschieden, ich gehe mal auf einige ein: Ein wichtiger Bereich der Geldgebenden sind die VCs- Venture Capital. Also Risikokapital. Und schaut man sich an, wer da Entscheidungsträger ist, das sind dann häufig Männer. Zwar gibt es schon VCs, die da entgegenwirken möchten und es auch tun, jedoch ist das noch nicht auf dem Niveau der Gleichberechtigung angekommen. Jedoch erkennen immer mehr VCs, dass gemischte Gründungsteams profitabler sind und setzten sowas schon voraus.

Es gibt auch noch die Kategorie der "Business Angels" - klingt gut oder? Business Angels sind private Menschen, die in ein Startup investieren und dann ihr Netzwerk und Kontakte sowie Wissen einbringen. Business Angels sind dabei natürlich auch ganz verschieden und es gibt nicht viele Studien dazu. Aber in den wenigen Studien dazu wird deutlich, dass der durchschnittliche Business Angel männlich, zwischen 45-65 Jahre alt ist und das Geld selbst durch unternehmerischen Erfolg erwirtschaftet hat. Langsam gibt es auch immer mehr weibliche Business Angels und auch das Alter verändert sich. Das macht es für weibliche Gründerinnen zum Glück immer leichter, an Kapital für die Unternehmensidee zu kommen.

Hast du Lösungsansätze und was können wir als VReG tun?

Netzwerken ist eine noch sehr männliche Domäne- das habe ich auch oft erfahren. Ich war im Jahr 2022 auf einem Tech Event (Hinterland of Things in Bielefeld) und da wurden alle Paneldiskussionen zu 50 % männlich und 50 % weiblich belegt. Das fand ich richtig gut, weil das beim Netzwerken echt hilft. Netzwerken besteht ja nicht nur aus Events, sondern kann ja auch aufgewertet werden mit Vorträgen, Paneldiskussionen oder sogar ganz gezielten Veranstaltungen. Als Frau kann ich da sicherlich stellvertretend sagen: Ich renne nicht auf die Bühne und melde mich nicht sofort wenn ich für eine Paneldiskussion angefragt werde. Und das geht scheinbar nicht nur mir so. Als VReG können wir sowas veranstalten und beispielsweise selber die Rahmen der paritätischen Besetzung stecken und ganz gezielt Frauen dafür ansprechen und gewinnen. Wir haben echt viele wundervolle Role Models, die unbedingt zu Wort kommen sollten.

Hast du Lieblingsgründerinnen, die wir uns genauer anschauen sollten?

Ja ich habe so einige, die ich gerne in den Business Netzwerken verfolge. Fränzi Kühne ist beispielsweise so eine Gründerin. Fänzi sitzt aktuell im Vorstand von edding in Ahrensburg und ihr Buch „was Männer nicht gefragt werden“ habe ich natürlich sofort gekauft. Aber auch Louisa Dellert, Lea- Sophie Cramer (Gründerin Amorelie), Dr. Kati Ernst (Mitgründerin von ooia) usw. Leider fehlt mir immer ein bisschen die Zeit diese Menschen aktiv zu verfolgen und sicherlich ist diese Liste noch viel länger, nur fallen mir spontan nicht alle sofort ein.

Wie wichtig ist ein Frauennetzwerk, wenn wir Gründerinnen stärken wollen?

Tendenziell superwichtig. Ich muss gestehen, dass ich noch nie auf einem reinen weiblichen Netzwerktreffen war, aber das unbedingt machen möchte in Zukunft. Was mir auf Netzwerktreffen immer wichtig ist, dass ich da nicht nur tolle Kontakte machen kann, sondern auch was geboten wird.

Welche Tipps hast du für angehende Gründerinnen?

Höre auf dein Bauchgefühl- das liegt oft ganz richtig. Verkopfe dich nicht. Und ganz wichtig: manchmal klappen Ideen nicht. Das ist okay und schmälert deinen Wert nicht. Im Gegenteil: diese Erfahrung ist vielleicht schmerzhaft aber soo soo wertvoll. Schau, dass du mit deiner Idee in einen Accelerator gehst und dort viele Methoden, Tools und Mentoren triffst. Schau das du mit Gleichgesinnten arbeitest. Startups und Menschen aus Startups ticken oft ähnlich. Schau darauf, dass du ein tolles Backup hast. Das können Menschen sein, das können Orte sein, das können auch Dinge sein, die dir helfen abzuschalten. Hatte ich schon erwähnt, dass du auf dein Bauchgefühl hören kannst?

Welchen Ausblick gibst du? Schaffen wir bis 2030 die Gleichstellung in der Gründerszene?

Ich glaube, dass vor uns eine gute Zukunft liegt, was weibliches Gründertum angeht. Die Zeit verändert sich immer weiter hin zur Gleichberechtigung- was ich großartig finde. Was uns natürlich auch ein wenig in die Karten spielt: Fachkräftemangel. Wir können es uns schlicht nicht mehr leisten auf Humankapital zu verzichten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren immer mehr Gleichberechtigung erleben werden und dass diese auch immer deutlicher in der Welt der Startups einzieht.

Vielen Dank, liebe Thekla, dass du uns auf den neusten Stand gebracht hast. Obwohl Frauen in der Gründerszene aktuell noch einen vergleichsweise kleinen Anteil vertreten sind, fällt die Prognose für frauengeführte Startups ziemlich positiv aus. Dabei dürfen wir Frauen nicht vergessen, wie wichtig es ist, dass wir uns gegenseitig unterstützen und ein Netzwerk aufbauen, in dem sich Gründerinnen und interessierte Frauen austauschen können. Gemeinsam sind wir stark.

Welche Ideen hast du zur Stärkung von Frauennetzwerken? Schreib' es uns an marketing@vreg.de!